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III. Assessment 23. Welche virtuellen Formen des summativen Assessments gibt es?

Auch der Planung von Abschlussprüfungen wird das Prinzip des Constructive Alignments zu Grunde gelegt: Am Anfang stehen die Lernziele, deren Erlernen durch entsprechende Lehr-Lernaktivitäten (Übungssituationen, d. h. formative Assessments) gefördert werden und deren Erreichen am Ende des Prozesses durch das summative Assessment gezeigt/überprüft werden soll.

Die drei klassischen Prüfungsformate, die weiterhin in der Hochschullehre dominieren, sind Klausur, Hausarbeit und Referat. Hierbei handelt es sich um summative Assessments, da sie in der Regel als Leistungsbeurteilungen und nicht als Lernstanderfassungen fungieren – wobei das gerade beim Referat auf die konkrete Einordnung in den Lern- beziehungsweise Bewertungsprozess ankommt. Gerade Klausur und Hausarbeit erfolgen in der Regel am Ende des Semesters und ziehen keine Anpassung des Unterrichts auf Basis der Ergebnis- se nach sich. Die drei Formate unterscheiden sich in ihrem Medium: Klausur und Hausarbeit verlangen eine schriftliche Leistung, das Referat vor allem eine mündliche. Allen Formen des Assessments ist aber gemein, dass sie Kompetenzen überprüfen und bewerten, die Studierende in einer Lehrveranstaltung erworben haben (sollten). Im Folgenden finden sich Beispiele, wie diese klassischen summativen Formate auf Situationen virtueller Lehre adaptiert werden können.

Die Adaption kann durch alternative Klausurformate geschehen, zum Bei- spiel solche, die für eine längere Bearbeitung „mit nach Hause“ genommen“ werden dürfen. Im virtuellen Raum heißt das insbesondere, dass asynchron mit „offenen Büchern“ gearbeitet werden kann, oder dass für die Prüfung angefertigte „Spickzettel“ oder von den Studierenden selbst gewählte Hilfs- mittel erlaubt sind, welche Informationen enthalten, die in der Klausur konkret angewendet werden müssen. Gerade im virtuellen Kontext sind solche alternativen Formate wichtig, wenn Präsenz-Prüfungen nicht stattfinden können. Solche Formen des summativen Assessments setzen stark auf Vertrauen und Verantwortungsübernahme für den eigenen Lernprozess, anstatt auf Kontrolle und Überwachung der Prüfungszeit durch Lehrende.

Ist es für die Prüfungsleistung essenziell, dass die Studierenden völlig ohne Hilfsmittel auskommen, können Klausuren im digitalen Raum zum Beispiel durch mündliche Online-Prüfungen ersetzt werden.

Tabelle 4. Prüfungsformen – (A) Klausur.

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Klausur
  • Klausuraufgaben können, abhängig vom Lernziel, in allen Schwierigkeitsgraden gestellt werden (einfach bis komplex).
  • Für Open-Book-Klausuren eignen sich Fragen auf höheren Lernzielstufen (ab Anwenden).
  • getimte Open- Book-Klausur
  • Scanprüfungen
  • Definitionen bewerten statt definieren
  • Lösungen zu Fallbeschreibungen erarbeiten
  • Fachlandkarte erstellen lassen
  • Ursache- Wirkungsdiagramm

Das Format einer Hausarbeit dient vor allem dem Erwerb von Schreibkompetenzen unter den Lernenden. Diese Schlüsselkompetenzen sind in nahezu jeder Disziplin spätestens beim Abfassen einer Abschlussarbeit notwendig. Eine Hausarbeit bietet weiterhin natürlich auch die Möglichkeit, weitere Kompetenzen des wissenschaftlichen Arbeitens zu fördern (z. B. Recherche-, Argumentations-, Interpretationskompetenzen), welche idealiter explizit auch als Lernziele formuliert werden. Ein ausformuliertes Beispiel aus dem geisteswissenschaftlichen Kontext findet sich hier:

Tabelle 5. Prüfungsformen – (B) Hausarbeit.

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Hausarbeit
  • Die Studierenden sind in der Lage, innerhalb einer vorgegebenen Frist eine größere wissenschaftliche Fragestellung selbstständig zu entwickeln und unter Anwendung ihrer quellensprachlichen Kompetenzen und der in den Pflicht- und Wahlpflichtmodulen erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zu beantworten.
  • Sie können sich Wissen in unterschiedlichen Themenfeldern in begrenzter Zeit er- schließen, wissenschaftsadäquat darstellen und zum Forschungsdiskurs beitragen.
  • Sie sind darin geübt, fremde Beiträge zu diskutieren, sich mit wissenschaftlicher Kritik auseinanderzusetzen und die eigenen Ergebnisse im wissenschaftlichen Diskurs zu verteidigen.
Hausarbeiten können bereits während des Semesters geschrieben (oder zumindest begonnen) und die Studierenden von der Entwicklung der Fragestellung bis hin zum tat- sächlichen Schreiben eines Entwurfs im Schreiben begleitet werden (→Frage 24).
Recherchierte Inhalte übertragen in ein multimediales Format oder ein anderes Genre (z.B. für ein nichtwissenschaftliches Publikum oder narrative/kreative Formen)

Referate, sofern sie nicht in synchronen Sitzungen virtuell gehalten werden, können dagegen gut durch andere Medienformate, zum Beispiel durch zuvor aufgenommene Vortragsaufzeichnungen als Videopräsentationen oder Podcasts, ersetzt werden.

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Referat

Die Studierenden sind in der Lage, sich kritisch mit wissenschaftlichen Texten auseinanderzusetzen, indem sie:

  • relevante Informationen aus (verschiedenen) Quellen sammeln und analysieren,
  • die gesammelten Informationen aus der Quellebewerten, zusammenführen und differenzieren,
  • aufgrund der gesammeltem Informationen  Entscheidungen treffen, Position beziehen und diese vor den Kommiliton*innen verständlich präsentieren und diskutieren.

Hinweis: Jede einzelne der drei Stufen kann mit einer Präsentation abschließen, je nach verlangter Komplexität des Referats.

Anstelle eines mündlichen Live- Referates könnte der Vortrag auch aufgezeichnet werden, so dass die Studierenden den Vortrag vor der Lehrveranstaltung (asynchron) anhören und dazu Fragen beantworten, die als Grundlage für die synchrone Sitzung dienen.
  • kollaborative Bearbeitung von Fallstudien oder Simulationen
  • konkrete Erstellung von Produkten, Broschüren oder Geschäftsideen beziehungsweise deren Verkaufspräsentation („pitches“)

Schließlich können summative Prüfungsformen, zum Beispiel längere schriftliche Formate wie Hausarbeiten, in formative Assessments umgewandelt wer- den, zum Beispiel indem sie durch Portfolio-Arbeit gestützt werden (→Frage 25), welche Studierende während des Semesters kumulativ und durch wieder- holte Feedback-Mechanismen (z. B. durch Peer Review) auf die schriftliche Arbeit am Ende des Semesters vorbereiten kann.

An diesen Beispielen wird jedoch erneut deutlich, dass die Wahl der Prüfungsform automatisch Auswirkungen auf die Planung der vorausgehenden Lehreinheit hat: Wenn in der Prüfungsleistung beispielsweise E-Portfolios eingesetzt werden, muss die entsprechende Medienkompetenz der Studieren- den auch in der vorausgehenden Lehre gezielt gefördert werden.

Grundsätzlich sollte man sich über die Kompetenzorientierung in der Prüfung Gedanken machen: Welche Kompetenzen sollen in der Prüfung gezeigt werden und wie kann das praktisch umgesetzt werden? Es gibt mittlerweile eine Auswahl an kompetenzorientierten alternativen Prüfungsformaten, die im digitalen Raum gut einsetzbar sind und die über die drei traditionellen, oftmals summativen Formate Klausur/Referat/Hausarbeit hinausgehen. Die hier exemplarisch genannten Formen der Leistungsüberprüfung können lediglich als Inspiration – so hoffen wir – für neue Ideen in Ihrem eigenen Kontext dienen.

Eggensperger, P., Kleiber, I., Klöber, R., Lorenz, S.M. & Schindel, A. (2023) Virtuelle Hochschullehre. Ein Handbuch in 50 Fragen und Antworten, Heidelberg: heiBOOKS, S. 75-79