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III. Assessment 24. Wie lässt sich das wissenschaftliche Schreiben in virtuellen Kontexten begleiten?

Generell sind bei der Begleitung studentischer Schreibprozesse im digitalen Kontext ähnliche Formen der Unterstützung hilfreich wie bei Schreibaufgaben in Präsenzveranstaltungen. Schreibbegleitung lässt sich hierbei als formatives Assessment verstehen, das Studierende bereits während des Semesters auf das akademische Schreiben vorbereitet, bestimmte Schreibformen einübt und das Schreiben zu einem regulären Teil der Lehrveranstaltung macht.  Sollte am Ende des Semesters eine Hausarbeit zu verfertigen oder eine andere schriftliche Leistung zu erbringen sein, ist es für Studierende sinnvoll, das akademische Schreiben als einen Prozess zu erleben. Hier sollten Studierende die Möglichkeit erhalten, den Schreibprozess frühzeitig zu beginnen: einerseits um Schreibroutine zu entwickeln; andererseits aber auch, um die Möglichkeit wahrnehmen zu können, von Lehrenden schon während des Semesters Feed- back zu ihrer geplanten Fragestellung oder zu ersten Schreibversuchen zu erhalten. Daher kann es hilfreich sein, kleinere Schreibaufgaben wie Brainstorming- oder Strukturaufgaben (z. B. Mindmapping (6), Freewriting (7) oder die 5-Paragraphen-Methode (8)) in die Struktur von bestehenden Kursen miteinzubauen beziehungsweise bei neuen Kursen Schreibaufgaben von Anfang an mitzudenken. So kann das Schreiben während des Semesters normalisiert wer- den: Studierende können das Schreiben so nicht nur als Leistungsnachweis, sondern als eigenständige Methode des Lernens und Denkens erfahren.

Entsprechende Aufgabenstellungen, die mit den Anforderungen und Rahmenbedingungen von zu bewertendem Schreiben korrespondieren, sollten bereits früh in einer Lehrveranstaltung gegeben werden, auch wenn als einzige Schreibaufgabe eine am Ende des Semesters zu verfassende Hausarbeit steht. Gerade bei komplexeren Schreibaufgaben wie Hausarbeiten ist es im digitalen Raum besonders wichtig, dass die von den Lehrenden formulierten Erwartungen für schriftliche Arbeiten nicht nur formale Aspekte wie Layout, das korrekte Erstellen von Inhaltsverzeichnissen, Zitationsregeln oder Hinweise zur Fußnotenstruktur enthalten, sondern konkrete Lernziele sowie strukturelle und inhaltliche Rahmenbedingungen beinhalten. Hier sollte explizit formuliert wer- den, was die Studierenden am Ende des Semesters gelernt haben und was damit als erworbene Kompetenz in der Hausarbeit überprüft wird. Dabei werden die Lernziele operationalisiert, transparent gemacht und daran ausgerichtet Aufgaben formuliert: Geht es zum Beispiel hauptsächlich darum, Inhalte oder Resul- tate zusammenzufassen, zu vergleichen, in einen Forschungskontext einzuordnen, oder sollen Studierende eigenständige Argumente entwickeln, die sich aus dem vorhandenen Forschungskontext ergeben, müssen die Schreibaufgaben so formuliert sein, dass sie genau diese Tätigkeiten ermöglichen. Andere Anforderungen führen hier sowohl zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen und erfordern teils auch eine unterschiedliche Begleitung seitens der Lehrenden. Zur Klärung der Anforderungen und eventuellen Rückfragen seitens der Studieren- den kann es angebracht sein, noch zu Beginn des Semesters eine Sitzung dazu zu verwenden, die schriftlich formulierten Rahmenbedingungen gemeinsam zu lesen und zu besprechen. So kann sichergestellt werden, dass alle Studierenden von Anfang an wissen, was während des Semesters und hinsichtlich ihrer Prüfungsleistungen von ihnen erwartet wird. Anforderungen sollten somit explizit, deutlich und idealerweise schriftlich formuliert und so früh wie möglich an die Studierenden kommuniziert werden.

In virtuellen Kontexten ist es dabei besonders lernförderlich und gut abbild- bar, Studierende in Schreibtandems oder kleine Schreibgruppen aufzuteilen, die sich gegenseitig in ihrem Schreiben unterstützen (z. B. als Accountability-Buddies). Die Studierenden können sich konkret Feedback geben, um die Lehrenden in ihrer Beratungsfunktion mit Hinblick auf schriftliche Arbeiten zu entlasten, da gerade eine produktive Betreuung von Hausarbeiten sehr zeitaufwändig sein kann. Sollte auf Peer-Feedback zurückgegriffen werden, ist es jedoch wichtig, auch hierfür Rahmenbedingungen zu gestalten und zu kommunizieren (z. B. in Form leitender Feedback-Fragebögen); besonders hilfreich kann es hier sein, eine Auswahl an Beispielen guter und weniger erfolgreicher schriftlicher Arbeiten einmal exemplarisch zu besprechen und explizit darauf hinzuweisen, welche Erwartungen von diesen Beispielen erfüllt oder nicht erfüllt wurden. Ebenso kann dieses Peer-Feedback in die Gesamtbewertung des Kurses miteinfließen, falls sich eine solch extrinsische Form der Motivation (→VI. Partizipation und Motivation) als notwendig erweisen sollte. Mit dieser Art von Vorbereitung können Studierende also zu gut vorbereiteten Schreibtutor*innen füreinander werden und idealerweise durch die Reflexion und bewusste Auseinandersetzung mit dem Schreiben ähnliche Probleme, die sie in den Verschriftlichungen ihrer Kommiliton*innen identifizieren, auch in ihrem eigenen Schreiben erkennen. Auch bieten solche Methoden den weiteren Vor- teil, dass Studierende zum Beispiel über Kleingruppen auch über die eigentliche Kurszeit hinaus miteinander in direkten Kontakt treten und somit mehr sozial eingebunden werden, ein Aspekt, dem gerade in digitalen Kontexten und mit Hinblick auf die studentische Motivation eine große Bedeutung zukommt. Sollte eine Lehrveranstaltung mit Tutor*innen arbeiten, besteht gegebenenfalls die Möglichkeit, diese Hilfskräfte in die Betreuung von schriftlichen Arbeiten mit einzubeziehen: Sowohl Lehrende als auch Tutor*innen könnten zum Beispiel regelmäßige Sprechstunden anbieten, in denen Schreibprobleme diskutiert und gemeinsam gelöst werden könnten. Dies erfordert zwar einen größeren Zeit- aufwand, führt aber in der Regel zu einem Qualitätsanstieg des Endprodukts und somit zu einer weniger aufwändigen Korrektur der finalen Version. Wichtig in virtuellen Kontexten ist neben der expliziten Formulierung von Anforderungen gerade dieses Schaffen von Gemeinschaft, gegenseitiger Unterstützung und Verantwortung und der eigenen Bereitschaft, Studierende kontinuierlich und innerhalb des Kurses in ihrem Schreiben zu fördern.

Eggensperger, P., Kleiber, I., Klöber, R., Lorenz, S.M. & Schindel, A. (2023) Virtuelle Hochschullehre. Ein Handbuch in 50 Fragen und Antworten, Heidelberg: heiBOOKS, S. 79-81