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VI. Partizipation und Motivation 48. Wie können Lehrveranstaltungen durch Gamification-Elemente unterstützt werden?

Spiele oder spielerische Elemente sind häufig fester Bestandteil verschiedener didaktischer und pädagogischer Ansätze. Das Konzept der Gamification, also der Einsatz von Spiel-Design-Elementen in nicht-spielerischen Kontexten (Deterding et al. 2011, 10), wird dabei seit Beginn des 21. Jahrhunderts besonders prominent verhandelt und im Folgenden an einem Beispiel erläutert. Die Idee ist denkbar einfach: Ein Lern- oder Arbeitsprozess wird mit Spielelementen, zum Beispiel Erfahrungspunkten, storybasierten Aufgabenstellungen (sog. Quests) oder Wettbewerben angereichert, um die Motivation der Lernenden zu steigern und die Arbeit interessanter zu gestalten. Dabei können, abhängig von den eingesetzten Spielelementen, unterschiedliche Mechanismen wirken. Häufig wird Gamification-Ansätzen unterstellt, dass diese nur mit extrinsischer Motivation, zum Beispiel über Badges und Belohnungen (→Frage 49), arbeiten würden. Durch kluge und interessante Spielmechanismen kann aber auch beispielsweise das Kompetenz- und Autonomieerleben gefördert werden. Denkbar wäre zum Beispiel, dass Aufgaben- und Problemstellung durch eine Rahmenhandlung gestützt werden, in welcher die Lernenden (oder Spielenden) eigene (bedeutsame) Entscheidungen treffen können und müssen. Wenn kollaborative oder kompetitive soziale Spielmechanismen eingesetzt werden, kann außerdem die soziale Eingebundenheit der Lernenden erhöht werden. Wichtig ist in jedem Fall, dass nicht einfach ein Spiel um des Spielens willen eingeführt wird. Gamifizierte Elemente in einer Lehrveranstaltung sind letztlich spezielle Formen der Lehr-Lernaktivitäten beziehungsweise Aufgabenstellungen (→Frage 45), die an konkrete Lernziele und Kompetenzen gekoppelt sind, die gefördert werden sollen.

Die Idee der Gamification lässt sich am einfachsten an einem Beispiel nach- vollziehen. Während sich ganze Lehrveranstaltungen oder gar Curricula ‚gamifizieren‘ lassen, lohnt es sich häufig (gerade bei mangelnder Erfahrung mit diesem Format), klein anzufangen und mit einzelnen Spielelementen zu experimentieren. Angenommen, die Lernenden müssen jede Woche einen Text, zum Beispiel einen wissenschaftlichen Aufsatz, bearbeiten und dann einen dazu passenden kurzen Multiple-Choice-Test absolvieren. In diesem Beispiel kann der grundsätzliche Prozess beibehalten, aber um fünf Spielelemente ergänzt werden: Kollaboration, Wettbewerb, Punkte, Levels und Auszeichnungen. Zu diesem Zweck werden die Lernenden in kleine Gruppen eingeteilt, die gegeneinander antreten (Wettbewerb) und sich anhand einer Gruppenbewertung (Punkte) miteinander vergleichen können. Die Gruppen-Punktzahl setzt sich jede Woche aus den Einzelwertungen (Kollaboration), basierend auf den Multiple- Choice-Tests der Gruppenmitglieder, zusammen. Der Wettbewerb selbst lässt sich beispielsweise über eine Highscore-Liste der besten Gruppen sichtbar machen. Wenn eine Gruppe gemeinsam die volle Punktzahl in einer Woche er- reicht hat, bekommt sie die Möglichkeit, gemeinsam weitere Fragen eines höheren Schwierigkeitsgrades (Level) zu bearbeiten und so zusätzliche Punkte zu sammeln. Dieser Spielmechanismus stellt einen Anreiz für die Gruppen dar, die Einzelleistungen zu optimieren und sich innerhalb der Gruppe gegenseitig zu unterstützen. Darüber hinaus bietet sie einen Anlass zur Differenzierung über die Levels beziehungsweise Schwierigkeitsgrade. Abschließend erhält die Gruppe mit der höchsten Wertung, entweder von Woche zu Woche oder am Ende einer Lehrveranstaltung, eine Auszeichnung oder Belohnung (z. B. ein Badge) für ihre Leistung.

Natürlich handelt es sich hier nur um ein Beispiel; es lassen sich jedoch unzählige Anpassungen und Ergänzungen dieses „Spiels“ denken. Es ließen sich zum Beispiel zusätzliche Mechanismen zum Punktgewinn, beispielsweise Punkte für das Auffinden von zusätzlichen Quellen, einführen oder gleichstehende Gruppen könnten in der Veranstaltung gegeneinander ein Quiz spielen. Während solche Spielmechanismen tatsächlich die Motivation erhöhen können, müssen aber immer mögliche, oftmals unvorhergesehene, Nebenwirkungen bedacht werden. Im gezeichneten Beispiel könnte der Fokus auf die Gruppenbewertung beispielsweise dazu führen, dass die jeweils Besten die richtigen Ergebnisse einfach nur an die Gruppenmitglieder weiterreichen, anstelle wirklich zu kooperieren. Dem könnte entgegenwirkt werden, indem die Aufgabenstellungen in den Multiple-Choice-Tests randomisiert (auch ein Spielelement) und aus einem Pool auswählt werden. Ebenfalls sollte bedacht werden, dass Spielmechanismen, die auf Wettbewerb basieren, neben Gewinner*innen immer auch Verlierer*innen erzeugen. An dieser Stelle wäre es deswegen wichtig zu reflektieren, ob dies für die Lernenden förderlich ist beziehungsweise wie das Gewinnen und Verlieren didaktisch und pädagogisch eingeordnet wird.

Diese Überlegungen müssen immer in Abhängigkeit von den Lernenden (individuell, aber auch als Gruppe) getroffen werden. Um unterschiedlichen Lernen- den gerecht zu werden, bietet es sich beispielsweise an, unterschiedliche Spielmechanismen zu mischen und mit diesen zu experimentieren. Ebenfalls ist es wichtig, mit den Lernenden in den offenen Austausch zu treten und regelmäßig Feedback einzuholen.

Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass Gamification, wie jeder didaktische Ansatz, an sich kein Allheilmittel ist und unter Umständen auch zu falschen Anreizen führen kann. Dennoch kann es sich, auch für das eigene Vergnügen am Lehren, lohnen, über Spielelemente nachzudenken und gemein- sam mit den Lernenden mit solch spielerischen Aspekten zu experimentieren.

Eggensperger, P., Kleiber, I., Klöber, R., Lorenz, S.M. & Schindel, A. (2023) Virtuelle Hochschullehre. Ein Handbuch in 50 Fragen und Antworten, Heidelberg: heiBOOKS, S. 135-137