2. Wie geht man damit um, wenn Lernende keinen Zugriff auf notwendige Geräte, beispielsweise Webcam oder Mikrofon, haben?

Für viele virtuelle Lehr-Lernszenarien, insbesondere auch in der hybriden Lehre (→Fragen 5, 17), werden bestimmte Geräte benötigt, um das Potenzial der Technologie ausnutzen zu können. Insbesondere beim Einsatz von Videokonferenzen spielen Kameras und Mikrofone eine zentrale Rolle. Obwohl zwischenzeitlich viele Endgeräte, beispielsweise Smartphones und Tablets, beides integriert haben, ist nicht immer davon auszugehen, dass alle Teilnehmer*innen oder Räume entsprechend ausgestattet sind. Ebenfalls ist zu bedenken, dass unterschiedliche Endgeräte zu unterschiedlichen Nutzungsmustern führen können. Während es auf einem Laptop sehr einfach ist, an einer Videokonferenz teilzunehmen, während man parallel auf einem virtuellen Whiteboard arbeitet, ist das Multitasking auf Smartphones häufig sehr viel schwieriger. Gleichermaßen ist es auf einem Tablet mit Stifteingabe einfacher, eine visuelle Brainstorming-Aufgabe zu lösen, als auf einem Laptop mit Trackpad. In ähnlicher Art und Weise beeinflusst die Technik in einem Raum natürlich auch die Nutzungsmuster in der hybriden Lehre. Diese Charakteristika, mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen, sollte man als lehrende Person in der Planung einkalkulieren und idealiter zu Beginn einer Veranstaltung erfragen, welche Gerätklassen die Lernenden mehrheitlich verwenden. 

Abgesehen von der technischen Ausstattung, kann es weitere Gründe geben, warum Teilnehmer*innen nicht in der erwarteten Art und Weise partizipieren können. Eine langsame oder geteilte Internetverbindung kann beispielsweise dazu führen, dass Videochats nicht richtig funktionieren. Teilnehmer*innen, die sich mit anderen einen Raum teilen, können sich gegebenenfalls nur bedingt beteiligen, obwohl die Technologie grundsätzlich vorhanden wäre. Natürlich können auch individuelle Einschränkungen, beispielsweise eine Seh- oder Hörbehinderung, zu anderen Nutzungsmustern, Anforderungen und Teilnahmebarrieren führen. 

Um solche Teilnahmebarrieren zu minimieren, ist es wichtig, die Teilnehmer*innen einer Lehrveranstaltung frühzeitig über die genutzte Technologie und die Voraussetzungen zu informieren und eventuell Anpassungen, zum Beispiel für Lernende, die auf Assistenzsysteme angewiesen sind, vorzunehmen. Sollte es trotz dieser Maßnahmen zu einer Situation kommen, in welcher Teilnehmer*innen nicht in der erwarteten Form partizipieren und kollaborieren können, bietet es sich an, die Betroffenen über niederschwellige Kanäle einzubinden und die unterschiedlichen technischen, körperlichen oder sozialen Voraussetzungen didaktisch aufzugreifen. 

In einer Videokonferenz, in welcher einige Teilnehmer*innen nicht oder nur teilweise per Audio oder Video teilnehmen können, kann zum Beispiel auf den Chat zurückzugriffen werden. Um den chattenden Teilnehmer*innen eine „Stimme“ zu verleihen, kann zusätzlich ein*e Sprecher*in als Chatbeauftragte*r benannt werden (→Frage 29). Diese Aufgabe kann von Sitzung zu Sitzung weitergegeben und als Lerngelegenheit für Vermittlungskompetenz verstanden werden. 

Teilnehmer*innen mit unterschiedlichen (technischen) Voraussetzungen können auch unterschiedliche Aufgaben bearbeiten, die auf ihre jeweilige Situation abgestimmt sind – zum Beispiel das (visuelle) Protokollieren einer Diskussion, die Moderation des Chats oder die parallele Bearbeitung einer zweiten Fragestellung mit anderen, die ausschließlich über den Chat kommunizieren. In diesem Szenario ist jedoch besonders darauf zu achten, dass Teilnehmer*innen nicht systematisch benachteiligt werden. Diese Form des differenzierten Arbeitens bietet sich natürlich ebenfalls für hybride Szenarien an, in welchen es nicht möglich ist, dass alle Teilnehmer*innen, im Sinne eines Plenums, produktiv zusammenarbeiten.

Wenn eine große Zahl an Teilnehmer*innen technologisch eingeschränkt ist, sollte überlegt werden, ob die Art und Weise der Kommunikation und Zusammenarbeit für die gesamte Gruppe dementsprechend umstellt wird und sich zum Beispiel nur noch die vortragende Person per Kamera und Mikrofon zuschaltet. In solchen Situationen ist es erwägenswert, ob ein stärker asynchrones Lehr-Lernformat (→Frage 10) die bessere Option darstellt. Im Zweifelsfall ist es häufig fairer und übersichtlicher, die Zahl der Kommunikationskanäle zu reduzieren und die Kommunikation grundsätzlich zu vereinfachen. So kann es produktiver sein, wenn alle synchron in einem Chat oder asynchron in einem Forum miteinander kommunizieren, als wenn viele unterschiedliche, komplexe Medien vermischt werden. Schlussendlich ist es – wie bei jeder Methodenauswahl – wichtig, zu überlegen, welche Technologie und welche Medien wirklich benötigt werden, um die angestrebten Ziele zu erreichen. 

Eggensperger, P., Kleiber, I., Klöber, R., Lorenz, S.M. & Schindel, A. (2023) Virtuelle Hochschullehre. Ein Handbuch in 50 Fragen und Antworten, Heidelberg: heiBOOKS, S. 29-31