II. Veranstaltungsformate 15. Wie kann eine virtuelle Vorlesung gestaltet werden?

Gute Vorlesungen – ob in Präsenz oder virtuell – zeichnen sich grundsätzlich dadurch aus, dass sie mehr sind als reine Vorträge von Expert*innen zu einem bestimmten Thema. Lernförderlich wird diese klassische Veranstaltungsform vor allem dadurch, dass neben den zentralen Elementen der Wissensvermittlung auch Raum zur Verarbeitung des Gelernten gelassen wird. Dies ist selbst- verständlich auch in der virtuellen Lehre gut möglich.

Zentral für die Planung einer virtuellen Vorlesung ist wie immer die Formulierung kompetenzorientierter Lernziele (→Didaktische Grundüberzeugungen). Sie bilden im Sinne des Constructive Alignment (Biggs und Tang 2011) den Rahmen für die Gestaltung von Lehrveranstaltungen. Gerade in Vorlesungsformaten liegt der Schwerpunkt der Lehrenden in der Regel auf der konzisen Präsentation von Wissen und relevanten Informationen. Im Sinne der Kompetenzorientierung stehen hier klassischerweise Lernziele im Mittelpunkt, die sich auf die Reproduktion (beschrieben mit aktiven Verben wie z. B. „definieren, benennen, beschreiben“) und die Erklärung (z. B. „erklären, vergleichen, interpretieren“) dieses Wissens oder dieser Informationen richten. Entsprechend sollten also auch Vorlesungen so strukturiert sein, dass den Lernenden immer wieder Momente eröffnet werden, in denen sie genau diese Kompetenzen aufbauen können (z. B. durch kurze Schreibübungen, Quizze oder einen schnellen Austausch in Kleingruppen). Maßgeblich ist hierfür wiederum der Aufbau nach dem Sandwich-Prinzip (→II. Veranstaltungsformate), welches einzelne Lehr-Lerneinheiten funktional nach folgender Struktur aufbaut: zunächst das Vorwissen der Lernenden aktivieren, dann Wissens- beziehungsweise Informationsvermittlung und abschließend die Verarbeitung der neuen Informationen beziehungsweise die Reflexion des subjektiven Lerngewinns. Dies ist virtuell leicht umsetzbar, wie folgende Tabelle 2 zeigt. Dabei ist jedoch, wie bei aller Lehrplanung, wichtig, zu entscheiden, welche Teile synchron und welche asynchron durchgeführt werden sollen (→Frage 10).

Exemplarischer Aufbau einer (virtuellen) Vorlesung anhand des Sandwich-Prinzips mit den entsprechenden didaktischen Funktionen der Einstiegs-, Arbeits- und Abschlussphase:

Tabelle 2. Aufbau einer Vorlesung nach dem Sandwich-Prinzip

Tabelle

Erste Sitzung
  • Orientierung
  • Ankoppeln an Erfahrungshintergrund der Studierenden
  • Lernkontrakt schließen

Orientierung:

  • „Was Sie von diesem Format erwarten können – wie wir kooperieren wollen“
  • Groblernziele für das gesamte Semester und Inhalte
  • Leistungsnachweise

Ankoppeln an Erfahrungshintergrund der Studierenden partizipativ erheben:

  • Aktivierung der Studierenden und Einstimmung mit „Impulsplakat“ (4) auf einer digitalen Pinn- wand, beispielsweise zu folgenden Fragen:
  • …das Thema: „Was interessiert mich an dem Thema besonders? Was weiß ich schon über das Thema? Was möchte ich herausfinden?“
  • …die Organisation / Zusammenarbeit: Fragen

Lernkontrakt für den Rest der Veranstaltung schließen:

  • Zusammenfassung Ergebnisse, Klärung der Fragen, Vereinbarungen treffen

 

Sitzung 1 –ff. / Einheiten

  • Wissensdarbietung
  • Lernen anregen und unterstützen
  • Verarbeitung ermöglichen (fördern, lenken, verdeutlichen)

Lernziele für diese Einheit und Inhalte

  • ggf. Zusatzliteratur

Aktivierung der Studierenden und Einstimmung durch „Stummen Dialog“ auf Padlet /Etherpad (kann auch bereits in die Vorbereitung verlagert werden):

  • „An dem Thema heute interessiert mich… ? Das Thema steht in Verbindung zu Thema XY… ? Was möchte ich konkret herausfinden?“

Wissensdarbietung synchron oder asynchron

Rückbezug auf Lernziele der Einheit und Reflexion des Gelernten durch „X-Minuten-Paper“ auf Padlet / Etherpad:

  • „Heute fand ich besonders überraschend / interessant…“
  • „Unklar geblieben ist mir…“
  • „Für das nächste Mal frage ich mich…“

 

Abschluss- Sitzung

  • Reflexion des subjektiven Lerngewinns
  • zusammenfassen
  • abschließen
  • sichern und bewerten
  • Ausblick

Rückbezug auf Groblernziele für gesamtes Semester

Kurzfeedback durch Visualisierung (5) (z. B. mit OncooMentimeterAnswergardenPadlet):

  • Themenauswahl
  • „Mein Beitrag zum Gelingen“
  • Subjektiver Lerngewinn
  • Zusammenarbeit / Kooperation

Vorlesungen als Formate mit traditionell hohem Inputanteil von Lehrenden bieten sich im Übrigen (nicht nur) in der virtuellen Lehre in besonderem Maße dafür an, die Wissensvermittlung beziehungsweise -darbietung, beispielsweise im Sinne des Flipped Classroom, in die asynchrone Vorbereitung der Lernen- den zu verlagern (→Frage 6). Hier können Videos, die die eigentliche Präsentation der Lehrperson beinhalten, selbstständig (aber angeleitet) vorbereitet wer- den, so dass die synchrone Sitzung stattdessen für interaktives Lernen genutzt werden kann. Dabei ist jedoch gegebenenfalls eine Anpassung der Zeiteinteilung für einzelne Sitzungen zu bedenken.

Eggensperger, P., Kleiber, I., Klöber, R., Lorenz, S.M. & Schindel, A. (2023) Virtuelle Hochschullehre. Ein Handbuch in 50 Fragen und Antworten, Heidelberg: heiBOOKS, S. 56-58