VI. Partizipation und Motivation 50. Wie bleiben Lehrende motiviert?

Wie zu Beginn dieses Kapitels bereits ausgeführt, ist es nicht nur für den Lernerfolg der Lernenden, sondern auch für die Lehrenden von zentraler Bedeutung, motiviert zu bleiben. Abgesehen von der Beobachtung, dass motivierte Lehrende häufig auch ihre Lernenden besser motivieren können, ist es für die eigene Gesundheit nur förderlich, wenn die Lehre nicht zur Pflichtübung oder gar zur Qual wird.

Jedoch ist es für viele Lehrende, insbesondere im Kontext von virtuellen und hybriden Lehr- und Lernsettings, oft schwierig, die eigene Motivation langfristig aufrechtzuerhalten. Das kann ganz unterschiedliche Gründe haben: Der Kontakt mit Studierenden und Kolleg*innen ist eingeschränkt, man bekommt gerade in asynchronen Formaten weniger Rückmeldung oder fühlt sich durch Technologie und komplexe Rahmenbedingungen fremdbestimmt. Oben- drein ist die Belastung für Lehrende, besonders wenn aufwändige hybride Szenarien gefordert sind, oftmals höher als in der etablierten Präsenzlehre. Das kann gerade auch für hochmotivierte Lehrende zu einer Falle werden und zu Burnout-Symptomen führen, wenn Lehrende zeitweise sehr viel mehr geben als sie eigentlich können.

An das Modell von Deci und Ryan anschließend (→Didaktische Grundüberzeugungen: „Motivation“), kann man die eigene Motivation unter drei Gesichts- punkten betrachten und beeinflussen. Mit Blick auf die eigene soziale Eingebundenheit ist es wichtig, nicht als Einzelkämpfer*in dazustehen – auch nicht, wenn aus der Ferne gelehrt und gearbeitet wird. Aus diesem Grund ist es extrem wertvoll, auch in der virtuellen Lehre möglichst viele Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen (→Frage 46). Im Idealfall entsteht so, auch wenn die Gruppe nicht oder nur zum Teil vor Ort ist, für individuelle Studierende den- noch das Gefühl, Teil einer Lerngruppe zu sein (→Frage 39), in die auch die Lehrenden, zum Beispiel als Facilitators von Diskussionen und interaktiven Lehr-Lernmethoden, eingebunden sind. Neben solchen kursinternen Mechanismen zur Förderung des (sozialen) Austauschs und der Kommunikation ist es außerdem zentral, aktiv virtuelle Begegnungs- und Austauschräume zu schaffen oder bestehende Formate zu nutzen, in denen Lehrende, aber auch Lernende und Studierende eines Fachbereiches, eines Instituts oder einer Fakultät zusammenkommen können (z. B. über virtuelle Sprechstunden oder Hangouts in Programmen wie Gather).

Ebenso motivierend für Lehrende kann es wirken, zusätzlich zu diesen stark auf die Lehre oder den eigenen Fachbereich fokussierten Maßnahmen externe Formate wahrzunehmen, in denen Lehrpersonen am Austausch mit anderen Lehrenden oder Trainer*innen für Hochschuldidaktik innerhalb der Universität teilhaben können – zum Beispiel in Form von kollegialen Beratungen, Sprech- stunden oder Workshops. Neben dem Erleben von sozialer Eingebundenheit ist es nämlich auch aus der Perspektive des Kompetenzerlebens wichtig, nicht nur selbst Feedback zu geben, sondern dieses auch regelmäßig einzuholen. Gerade in virtuellen Szenarien, in denen es schwierig sein kann, den Raum richtig zu lesen, kommt dem expliziten Feedback eine besondere Rolle zu (sowohl von Seiten der Studierenden als auch durch didaktisch geschulte Kolleg*innen oder externe Berater*innen, z. B. durch Lehrhospitationen). In diesem Kontext wird neben dem Erhalten von Feedback bezüglich der eigenen Lehre auch die Vernetzung mit Kolleg*innen (jenseits der eigenen Institution) zentral, zum Beispiel im Kontext des Scholarship of Teaching and Learning (Huber 2014, Roxå, Olsson und Mårtensson 2008). Über die eigene Lehre und die eigenen Erfahrungen zu berichten, kann nicht nur bereichernd für andere sein, sondern macht auch für Lehrende selbst sichtbar, was bereits geleistet wurde. Eine solche Reflexion und das Teilen von Expertise führen häufig dazu, dass Lehrende sich auch in Bezug auf didaktische Aspekte als kompetent erleben. Gleichzeitig kann es motivierend sein, sich hin und wieder von den Lehr-Beispielen anderer inspirieren zu lassen, neue Methoden kennenzulernen und mit diesen in der eigenen Lehre zu experimentieren.

Aus Sicht des Autonomieerlebens ist es außerdem wichtig, zu identifizieren, was man als Lehrende*r für gute Lehre braucht und welche Handlungsspiel- räume es gibt. In vielen Fällen erlauben virtuelle und hybride Lehrveranstaltungen sogar größere Handlungs- und Experimentierräume als tradierte Formate. Um diese zu erkennen und ausspielen zu können, ist es aber wichtig, sich nicht zu sehr von der Technik und den möglichen Rahmenbedingungen ein- schränken oder gar einschüchtern zu lassen. In der virtuellen Lehre gibt es viel Raum für Kreativität und eigene Ideen, die es zu erforschen gilt. Gerade in virtuellen Settings ist es beispielsweise sehr viel einfacher geworden, Gäste und externe Expert*innen einzuladen oder Studierende und Kolleg*innen aus der ganzen Welt im virtuellen Klassenzimmer an der eigenen Lehre teilnehmen zu lassen: Ein digitales Whiteboard kennt keine räumlichen Grenzen und neu erstellte Lernprodukte (z. B. Videopräsentationen, →Frage 6) können global geteilt werden. Darüber hinaus sollten sich Lehrende immer wieder bewusstmachen, dass sie auch durch die Kamera hindurch selbstwirksam tätig, für Lernende präsent sein und für Themen begeistern können — wäre das nicht der Fall, würden Kino, YouTube und Co. wesentlich weniger Spaß machen.

Schlussendlich sollte der Blick noch einmal auf die eigenen Ressourcen gelenkt werden. Gute virtuelle oder hybride Lehre ist in der Planung und Durchführung zunächst fast immer aufwändiger als die Lehre in Präsenz, welche viel- leicht notfalls auch einfach einmal improvisiert werden kann. Mit genügend Erfahrung funktioniert eine solche Improvisation aber natürlich auch im virtuellen Raum irgendwann. Da in den wenigsten Fällen jedoch mehr Zeit für die Lehre zur Verfügung gestellt wird, um auch länger planen und Lehrexperimente auswerten zu können, ist es wichtig, achtsam und ressourcenschonend zu arbeiten. Dabei können drei konkrete Hinweise helfen: Erstens kann es eine große Entlastung sein, ‚Konserven‘, zum Beispiel Vorlesungsaufzeichnungen, Lernvideos oder frei verfügbare Open Educational Ressources (OERs), zu nutzen. Gerade für stabiles Wissen (wie z. B. in Einführungsveranstaltungen häufig vermittelte Zahlen, Daten und Fakten) bieten sich solche Konserven an. Wenn eigene Lernmaterialien produziert werden sollen, ist dementsprechend darauf zu achten, dass diese auch in Zukunft und in anderen Kontexten und Lehrveranstaltungen nutzbar sind. Zweitens ist es wichtig, die eigenen Workflows kritisch zu betrachten und im Zweifelsfall zu optimieren. Oftmals kann schon durch eine kleine Änderung, zum Beispiel die Verwendung eines Buchungssystems für Sprechstunden oder leicht zugängliche FAQs, viel Zeit gespart werden, die sonst zum Beispiel auf die Beantwortung von E-Mails verwendet würde. Abschließend ist noch auf das Prinzip des „more learning, less teaching“ hinzuweisen. Insbesondere durch eine lernendenzentrierte Lehre, wie sie in diesem Buch beschrieben und propagiert wird, lässt sich eine große Entlastung erzeugen: Nicht jede Minute einer Lehrveranstaltung muss von den Lehrpersonen selbst gefüllt werden und nicht jede Aufgabe muss von ihnen aktiv begleitet und eigenhändig korrigiert werden. Die Verantwortung für das Gelingen von Lehren und Lernen wird im besten Falle durch eine entsprechende Gestaltung von Lernräumen von allen Teilnehmenden einer Lehrveranstaltung geteilt. Wie dies funktionieren kann, zeigt dieses Buch. Somit sind die hier versammelten Vorschläge, auch zur Eigenmotivation Lehrender, nicht auf die virtuelle Lehre beschränkt. Austausch, Feedback, Nachnutzbarkeit eigener Ressourcen und das Teilen von Verantwortung sind elementare Faktoren, die motivierte Lehre auch jenseits virtueller Räume und Rahmenbedingungen möglich machen.

Eggensperger, P., Kleiber, I., Klöber, R., Lorenz, S.M. & Schindel, A. (2023) Virtuelle Hochschullehre. Ein Handbuch in 50 Fragen und Antworten, Heidelberg: heiBOOKS, S. 139-141