II. Veranstaltungsformate 20. Wie kann transferorientierte Lehre in virtuellen Formaten umgesetzt werden?
Transferorientierte Lehre beschreibt ein lernendenzentriertes Format, das die Aktivität der Studierenden in den Mittelpunkt stellt (siehe auch FoL, →Frage 19). Transferorientierung in Lehren und Lernen zielt darauf ab, die gesellschaftliche beziehungsweise berufspraktische Relevanz akademischen Lernens und Arbeitens zu betonen und meist im Projektcharakter gemeinsam mit außer- hochschulischen Akteur*innen umzusetzen. Wissenschaftspolitisch seit 2016 massiv gefördert, versucht transferorientierte Lehre einen Anwendungsbereich (und oftmals eine Heranführung an mögliche Berufe) für Studierende zu schaffen, „auf dem die Übertragung wissenschaftlicher Erkenntnis in einer wie auch immer gearteten gesellschaftlichen Praxis ausprobiert und reflektiert werden kann“ (Kümmel-Schnur, Mühleisen und Hoffmeister 2020, 9).
Im Sinne der „dritten Mission“ von Hochschulen, also dem Auftrag, das in Forschung und Lehre generierte Wissen, die Innovationen und Technologien in die Gesellschaft zu transferieren (bzw. deren Impulse aufzunehmen), bietet transferorientierte Lehre die Möglichkeit, die Studierenden am zivilgesellschaftlichen Auftrag der Hochschulen teilhaben zu lassen. Durch den expliziten projekthaften Praxis- und Gesellschaftsbezug transferorientierter Lehre bieten entsprechende Lehr-Lernsettings große Potenziale für aktives und motiviertes Lernen sowie für die Ausbildung kritischen Denkens, da die Relevanz des studentischen Engagements in der Regel auch für Lernende offensichtlich ist und die Ergebnisse direkte Auswirkungen für die Projektpartner*innen haben. Transferorientierte Lehre umfasst somit Formate, die bisher als „praxisorientierte Lehre“, „forschendes Lernen“ (→Frage 19) oder „Service Learning“ bekannt sind (Kümmel-Schnur, Mühleisen und Hoffmeister 2020).
Im Kontext virtueller Lehre ist die Umsetzbarkeit transferorientierter Lehre stark von den konkreten Projekten abhängig. Während sich für den Aufbau eines Programmierprojekts mit externen Kooperationspartner*innen vielleicht wenig ändert, da in diesen Feldern schon lange digital zusammengearbeitet wird, ist dies zum Beispiel für die Ausstellungsgestaltung in einem Museum eine gänzlich andere Herausforderung. Wie bereits ähnlich in der vorhergehenden Frage (→Frage 19) zur Umsetzung forschungsorientierter Lehre behandelt, muss bei der Planung virtueller transferorientierter Lehre zunächst geklärt werden, welche Kompetenzen in der Fernlehre erworben werden sollen und auch können. Dabei kann es durchaus sein, dass bestimmte Schritte und Tätigkeiten der Transferprojekte virtuell nicht, nicht von allen (→Frage 17) oder nur bedingt erlernt werden können. Je nach Lernzielen der projektbezogenen Lehr- Lernsettings kann dies allerdings unproblematisch sein, da unterschiedliche Aufgaben und Tätigkeiten erforderlich sein können, die von unterschiedlichen Studierenden erfüllt werden. Zu beachten ist gerade bei transferorientierter Lehre, dass – sollte sie auch prüfungsrelevant sein – die Formen der Leistungsüberprüfung eine prozessorientierte Beurteilung zulassen (→III. Assessment; →Frage 22). Das bedeutet, formativ einzelne Lernschritte einzelner Teilnehmender oder Arbeitsgruppen zu bewerten (→Fragen 22, 23) und nicht (wie in vielen Prüfungsszenarien) nur Endprodukte (z. B. Hausarbeiten, Laborberichte, Artefakte o. Ä.).
Bei einer transferorientierten Lehrveranstaltung, die beispielsweise in Kooperation mit einem Museum eine Ausstellung konzipiert, kuratiert und umsetzt, könnte der Lernerfolg von Studierenden anhand bestimmter Schritte durch Projektpräsentationen oder Reflexionen über Prozesse, Fortschritte und Herausforderungen immer wieder formativ beurteilt werden. Ähnliches lässt sich auch in technischen Projekten, die beispielsweise gemeinsam mit einem externen Unternehmen der Digitalisierung von Verfahrenstechnik arbeiten, leicht vorstellen.
Eggensperger, P., Kleiber, I., Klöber, R., Lorenz, S.M. & Schindel, A. (2023) Virtuelle Hochschullehre. Ein Handbuch in 50 Fragen und Antworten, Heidelberg: heiBOOKS, S.