II. Veranstaltungsformate 12. Wie lang sollten synchrone Inputphasen sein?

Wie oben beschrieben, bietet das Sandwich-Prinzip eine lernförderliche Struktur der Veranstaltungsplanung (→II. Veranstaltungsformate). Lehre ist demnach vor allem dann lernförderlich konzipiert, wenn die Studierenden nach einem Input die Gelegenheit haben, die dargebotenen Informationen zu verarbeiten. Die Dauer beziehungsweise die Länge des Inputs ist dabei abhängig vom jeweiligen Format und den gegebenen Interaktionsmöglichkeiten. Charakteristisch für beispielsweise eine Vorlesung ist ein hoher Anteil an Input und eher kurz bemessene Verarbeitungsmöglichkeiten, die jedoch konsequent eingeplant werden sollten; in einem Seminar dagegen überwiegt der Anteil an individueller Verarbeitung durch Interaktion und Diskussion.

Wenn Inputphasen in synchronen Veranstaltungen stattfinden, ist es sinnvoll, möglichst kleine inhaltliche Einheiten zu gestalten und diese mit interaktiven Arbeitsphasen zu verknüpfen. So können auch große Mengen an Stoff in kurze Inputphasen (ca. 10-20 Minuten) unterteilt werden und zum Beispiel mit einer Verarbeitungsaufgabe zu einer inhaltlichen Einheit verknüpft werden (→Fragen 20, 21). Gerade im Kontext von hybrider Lehre (→Frage 15) ist dies eine besondere organisatorische Herausforderung, da sich das Erleben der Lehrveranstaltung durch die Teilnehmenden an unterschiedlichen Orten natürlich grundlegend unterscheidet. Was für Präsenzteilnehmende als ein interaktiver Vortrag mit direkter Kommunikation erscheint, mag für die passiveren Rezipienten am Bildschirm ermüdend wirken. Insbesondere hier ist es also wichtig, die Inputphase nicht zu lange auszudehnen und allen Beteiligten – gegebenenfalls auch auf unterschiedliche Weise – Möglichkeiten zur Verarbeitung und Interaktion zu bieten.

Abschließend ist festzuhalten, dass die Teilnahme an synchronen Videokonferenzen durchaus anstrengend ist, teilweise sogar anstrengender als eine Teilnahme in Präsenz. Dieses Phänomen der Ermüdung, das in der psychologischen Forschung als sogenannte „Zoom-Fatigue“ beschrieben wurde, gründet sich vor allem auf vier Umstände (Bailenson 2021):

  1. Naher Augenkontakt mit einer größeren Gruppe im Rahmen einer Videokonferenz wird als intensiv wahrgenommen, da diese unmittelbare, synchrone Nähe zu anderen Gesichtern in präsentischen Treffen nicht in dieser Gleichzeitigkeit auftritt. Zudem kann diese Nähe als konfrontativ wahrgenommen werden. Dies spricht für zeitweises Abschalten der Videofunktion oder zumindest für eine Minimierung der Einblendungsgröße.
  2. Sich selbst durchgängig zu sehen ist irritierend und ermüdend. Das ständige „Spiegeln“ des eigenen Gesichts führt dazu, sich selbst kritischer wahrzunehmen. Sofern die Plattform dies zulässt, kann es daher hilfreich sein, das eigene Bild zumindest für sich selbst auszuschalten.
  3. Videokonferenzen reduzieren die körperliche Mobilität meist deutlich. Während Menschen sich bei Gesprächen oder Telefonaten normaler- weise bewegen, fällt dies in einer Videokonferenz – allein durch die Beschränkung auf das Sichtfeld der Kamera – deutlich geringer aus. Auch dies spricht dafür, die Kameras zeitweise abzuschalten oder die Entfernung zu ihnen zu vergrößern.
  4. Nonverbale Kommunikation wird in Videokonferenzen schwieriger zu lesen und zu senden. Dies führt zu erhöhter kognitiver Sensitivität. Warum dreht sich jemand weg? Ist das ein leichtes Nicken oder Kopf- schütteln? Solche Eindrücke sind im virtuellen Raum schlechter zu deuten und können somit zu einer gestörten Kommunikation führen. Deshalb wird in Videokonferenzen oft „überagiert“, etwa durch das deutliche „Daumen-nach-oben-Zeigen“. Das ist anstrengend. Auch hier lohnt es sich, sich selbst und den anderen Teilnehmenden immer wieder eine Pause durch Ausschalten der Kamera zu bieten, um nicht ständig nonverbale Signale deuten und senden zu müssen.

Diese Aspekte der Zoom-Fatigue sprechen zusammenfassend dafür, die synchronen Inputphasen kurz zu halten und durch regelmäßige individuelle oder kollaborative Verarbeitungsphasen zu unterbrechen. Damit kann den beschriebenen Ermüdungsfaktoren vorgebeugt werden.

Eggensperger, P., Kleiber, I., Klöber, R., Lorenz, S.M. & Schindel, A. (2023) Virtuelle Hochschullehre. Ein Handbuch in 50 Fragen und Antworten, Heidelberg: heiBOOKS, S. 50-51