VI. Partizipation und Motivation 49. Wie lassen sich mit digitalen Badges zusätzliche Anreize schaffen?

Nahezu alle Lehrveranstaltungen schließen damit ab, dass Lernende einen Nachweis über ihre erbrachten Leistungen, zum Beispiel in Form einer Abschlussnote (summatives Assessment, →III. Assessment), erhalten. In einem virtuellen Lehr-Lernkontext sind dabei zwei Formate besonders weit verbreitet: digitale Zertifikate und sogenannte Badges. Badges sind visuelle Abzeichen, die Lernende für ihre (Lern-)Leistungen verdienen können. Im Gegensatz zu Zertifikaten werden Badges üblicherweise für ‚kleinere‘ Lernerfolge oder Teilleistungen, häufig auch als motivierende Belohnungen, vergeben. Davon abgesehen, lassen sich Badges auch einsetzen, um solche Leistungen zu honorieren, die durch den primären Leistungsnachweis nicht oder nur schlecht abgebildet werden.

Durch die Vergabe solcher Abzeichen, die übrigens von vielen LMS unter- stützt wird, soll das Lernen und insbesondere der Lernfortschritt sichtbar und nachweisbar gemacht werden. Stellt man Badges aus, die dem Open Badges Standard (siehe (18)) folgen, können Lernende diese außerdem in einem sogenannten backpack, einem zentralen Ort zur Verwaltung der erworbenen Abzeichen, hinterlegen. Der Standard erlaubt es außerdem, zusätzliche Informationen, beispielsweise zu den erlangten Kompetenzen oder dem Assessment, direkt „in“ den Badges zu speichern. Vor diesem Hintergrund werden Badges häufig im Kontext von Micro-Credentials als eine mögliche Form der Kreditierung diskutiert.

In der Praxis endet eine Lehrveranstaltung häufig in klassischen Prüfungsformaten, beispielsweise mit einer Klausur, die zu einer Note und einem regulären Leistungsnachweis führt, der in einem internen System verbucht wird. Dieses Modell hat den Nachteil, dass Teilleistungen, zum Beispiel das Absolvieren von Übungen, nicht sichtbar werden (→Frage 22). Ebenfalls kann ein solches Modell üblicherweise keine Situationen honorieren, in denen Lernende zusätzliche Leistungen, zum Beispiel ein freiwilliges Projekt, erbracht haben. Lehrende könnten hier, ergänzend zur Klausur, veranstaltungsbegleitende Badges ausstellen, die genau diese Leistungen für die Lernenden und potenziell auch für Dritte sichtbar machen. Natürlich muss ein solches Belohnungssystem (→Frage 48) den Studierenden transparent gemacht werden, indem hierfür klare Kriterien kommuniziert oder mit den Teilnehmenden diskutiert und aus- gehandelt werden.

Die Arbeit mit Badges, insbesondere für Zusatzleistungen, die sonst „unsichtbar“ bleiben würden, kann sehr motivierend für Lernende sein, da der Kompetenzerwerb explizit und auch für Außenstehende sichtbar gemacht wird. Lehrenden bieten sie die Möglichkeit, Kompetenzen und weitere Lernziele in den Vordergrund zu rücken, die vom regulären Leistungsnachweis nicht abgebildet werden können. Wer mit Badges oder (digitalen) Zertifikaten arbeiten möchte, sollte allerdings darauf achten, dass diese nicht willkürlich vergeben werden oder in Konflikt mit anderen, obligatorischen Leistungsnachweisen geraten.

Eggensperger, P., Kleiber, I., Klöber, R., Lorenz, S.M. & Schindel, A. (2023) Virtuelle Hochschullehre. Ein Handbuch in 50 Fragen und Antworten, Heidelberg: heiBOOKS, S. 137-138