VI. Partizipation und Motivation 45. Wie müssen interaktive Aufgaben gestaltet und begleitet werden?
Als interaktive Aufgaben werden hier alle Formen der aktiven Auseinandersetzung mit Lerninhalten verstanden. Es geht also darum, was aus Lehrendensicht zu bedenken ist, wenn solche Aufgaben formuliert werden (→Frage 32) und in einer Lehrveranstaltung zum Einsatz kommen sollen. Können kurze Aufgaben mit klaren Instruktionen oft selbstständig von Studierenden bearbeitet werden, ist gerade bei komplexeren Aufgaben mit längeren Bearbeitungsphasen eine aktive Begleitung durch die Lehrperson, Tutor*innen oder Peers anzuraten.
Jede Aufgabenstellung – analog oder digital – sollte den Studierenden Orientierung ermöglichen und ein Höchstmaß an Transparenz über Erwartungen und Ziele bieten. Die Aufgabenstellung ist also das, was im Konzept des Constructive Alignment (→Didaktische Grundüberzeugungen) den Aspekt der Lehr-Lernaktivität beschreibt. Aufgaben sollten daher auch in kleineren Formaten an den Lernzielen einer Veranstaltung ausgerichtet sein, um die nötige Orientierung zu bieten, und abgestimmt sein auf das Assessment, um Transparenz zu gewährleisten. Gerade bei interaktiven Aufgaben, bei denen Studierende nicht nur passiv rezipieren, sondern dazu aufgefordert sind, aktiv etwas zu tun, muss kommuniziert werden, warum (Ziel) Studierende was (Lerngegenstand) bis wann (Terminierung) auf welchem Verarbeitungsniveau (Assessment) tun sollen. Eine solch transparente Kommunikation kann Studierende befähigen, sich als kompetent und verantwortlich für den eigenen Lernprozess zu erleben und dadurch zu ihrer intrinsischen Motivation beitragen.
Mit der Zielbeschreibung einer spezifischen Aufgabe wird deren Funktion innerhalb der lernförderlichen Sandwich-Struktur bestimmt. Dabei sollten sich Lehrende fragen, was bei der Aufgabe im Vordergrund steht: Geht es um eine Aktivierung von Vorwissen oder Vorerfahrungen, um ein Erarbeiten von zu erwerbenden Kenntnissen beziehungsweise eine Bearbeitung oder Anwendung von bereits vermittelten Informationen, oder um eine Auswertung des bisher Gelernten?
Interaktive Aufgaben können also in allen Phasen einer Lehrveranstaltung und für verschiedene didaktische Zwecke eingesetzt werden. Um den Lernen- den die Möglichkeit zu geben, an neue Inhalte anzuknüpfen, sollte zu Beginn einer Lehrveranstaltung, einer Selbstlernphase oder eines neuen Abschnittes das Vorwissen der Teilnehmenden aktiviert und so auf das Thema eingestimmt werden. Geeignete Methoden hierfür sind beispielsweise das Brainstorming, Paarinterview oder auch ein Quiz, um Vorkenntnisse zu testen. Hierzu bieten sich in einer synchronen Sitzung Abstimmungstools wie Mentimeter, Pingo oder Answergarden an. Zur (gemeinsamen) Sammlung von ersten Ideen sind kollaborative Tools wie Padlet hilfreich. Asynchron lassen sich die kollaborativen Funktionen von LMS nutzen. Falls die Aufgabe eher der Verarbeitung des Stoffes dient, bieten sich Gruppenarbeiten mit Leitfragen an, die synchron in Breakout-Räumen organisiert werden können, oder im LMS – ebenfalls als Einzel- oder Gruppenarbeit. Soll die Aufgabe die Reflexion und Bewertung des Gelernten im Sinne eines Tiefenlernens ermöglichen, lässt sich – ähnlich wie beim Einstieg – auf bewährte Abstimmungstools (Aha, Oncoo, Mentimeter, Pingo) zurückgreifen.
Das Kompetenzerleben von Studierenden fördert eine Aufgabenstellung vor allem dann, wenn sie so realistisch konzipiert ist, dass sie von Studierenden mit deren tatsächlichen Vorkenntnissen durchführbar ist. Dementsprechend muss deutlich definiert werden, bis wann eine Aufgabe zu erledigen ist (terminiert), denn darüber wird auch die angestrebte Verarbeitungstiefe gesteuert. Bei einem Brainstorming, für das 10 Minuten Gruppenarbeit vorgesehen sind, ist logischerweise ein anderes Ergebnis zu erwarten als bei 40 Minuten.
Wenn – gerade in asynchronen Settings – größere Aufgaben gestellt wer- den, die selbstgesteuert oder in Gruppenprozessen bearbeitet werden sollen, empfiehlt es sich, für eine effektive und effiziente Begleitung vor allem vier Dinge zu beachten:
- Komplexe Aufgaben sollten so heruntergebrochen werden, dass diese in der vorgegebenen Zeit realistisch zu bewältigen sind. Dabei bietet es sich an, dass Lehrende sich an den Lernzielen orientieren und die Aufgaben nach Komplexität der Lernziele aufsteigend, von den einfachsten zu den komplexesten, staffeln.
- Die Daten, bis wann eine Aufgabe zu erledigen ist, müssen im Vorfeld (schriftlich) transparent gemacht werden; erneute Erinnerungen an die Erledigung während der Bearbeitungsphase bieten sich ebenfalls an. In der Regel können diese Erinnerungen als automatisierte Nachrichten im LMS eingestellt werden. Alternativ könnten Lehrende regelmäßige, zum Beispiel wöchentliche Sammel-E-Mails an einem speziellen Wochentag verschicken, in denen sie darlegen, was bisher hätte erledigt werden sollen, und mit dem Ausblick, was als nächstes ansteht.
- Zusätzlich zu einer transparenten Aufgabenstellung kann die eigentliche Aufgabenbegleitung (und das Überprüfen der Erledigung von Aufgabenabschnitten) durch Feedback gestützt werden, das entweder seitens der Lehrenden, durch Tutor*innen oder durch Peers erfolgen kann. Für eine reibungslose Feedback-Schleife sollten die Teilaufgaben – wenn möglich – so in einem LMS dargestellt werden, dass erst eine Aufgabe erledigt sein muss, bevor die nächste begonnen werden kann. Falls die Möglichkeit besteht, kann es auch wirksam sein, den Zugang zu einem Kurs verfallen zu lassen, wenn Studierende diesen nicht regelmäßig aufsuchen. Um wieder freigeschaltet zu werden, müssten die Studierenden dann aktiv mit den Lehrenden Kontakt aufnehmen, was zu hilfreichen Feedback-Situationen führen kann. Ein solches mögliches Vorgehen muss freilich im Vorfeld transparent kommuniziert werden.
- Ebenso sollte, gerade auch in asynchronen Lernsituationen, Raum für Nachfragen geschaffen werden. Es empfiehlt sich durchaus, hier beispielsweise im LMS einen Chat oder ein Forum einzubinden, in dem Fragen gestellt werden können, denn in der Regel sind auch weitere Studierende an der Antwort auf eine Frage interessiert, die andere gestellt haben. Wenn jede dieser Fragen individuell per E-Mail beantwortet werden muss, ist dies deutlich aufwändiger; werden Fragen und Antworten aber in einem Chat oder einem Forum organisiert, erhalten die Studierenden automatisch eine durch sie gesteuerte und ständig wachsende FAQ-Sektion.
Eggensperger, P., Kleiber, I., Klöber, R., Lorenz, S.M. & Schindel, A. (2023) Virtuelle Hochschullehre. Ein Handbuch in 50 Fragen und Antworten, Heidelberg: heiBOOKS, S. 128-130