IV. Classroom Management, Lernmaterialien und Accessibility 30. Wie wird eine angemessene Arbeitslast für Studierende und mich selbst gesteuert?
Für viele Lehrende, aber auch für viele Studierende ist virtuelle Lehre (noch oder wieder) neu und das Arbeitsumfeld ungewohnt. Lehrenden fehlen oft Erfahrungswerte für den aufzubringenden Zeitaufwand im Hinblick auf Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung. Hinzu kommt der sich schnell wandelnde Markt an digitalen Tools und Plattformen, über den sich Lehrende zusätzlich zu ihren didaktischen Überlegungen für die Durchführung ihrer Lehre einen Überblick verschaffen müssen. Gerade hochmotivierte Lehrende können dazu neigen, viel Zeit mit Vorbereitung und Nachbereitung zu verbringen, um den Studierenden eine effektive Lernumgebung zu bieten – eine Tendenz, die lobenswert ist, aber auch zu Überlastung führen kann. Hier ist es sinnvoll, die Verantwortung für das Lernen an Studierende zu übergeben oder zumindest zu teilen (z. B. mit Hilfe von gemeinsamen Regeln oder Lernkontrakten, →Fragen 28 und 38) und zur eigenen Entlastung auf externe Hilfsmittel zurückzugreifen. Zum Beispiel sollten Lehrende sich nicht davor scheuen, bestimmte Inhalte wie selbst erstellte Videos oder Konserven mehrfach zu nutzen oder auf bereits vorhandene OER-Materialien zurückzugreifen. Der eigene Workflow kann durch Kollaboration mit anderen Lehrenden optimiert werden: Hier können Materialien verglichen, verbessert oder ausgetauscht werden, Peer-Feedback eingeholt werden (z. B. zu potenziellen Problemen, die viel Zeit kosten) und eigene Arbeitsweisen mit denen anderer Lehrender abgeglichen werden. Lehrende können in diesem kollegialen Austausch konkrete Fragen besprechen, wie zum Beispiel: „Was kann ich tun oder welche konkreten Tools kann ich nutzen, um schneller oder besser zu planen? Was nutzen meine Kol- leg*innen und welche Vorteile sehen sie in ihrer Vorgehensweise?“; „Wo verliere ich viel Zeit und was kostet mich viele Nerven?“; oder: „Wie kann ich bestimmte Prozesse standardisieren? Wie vereinbaren meine Kolleg*innen Sprechstunden, Abgaben von studentischen Aufgaben, Korrekturen und Feed- back etc.?“. Auch Blended-Learning-Formate, in denen synchrone Sitzungen der Plenumsdiskussion und der Beantwortung von verbleibenden Fragen dienen, können gerade bei Rückgriff auf bereits vorhandene Materialien den Arbeitsaufwand enorm erleichtern.
Im Hinblick auf die für die Studierenden entstehende Arbeitslast in einem virtuellen Kurs sollten Lehrende generell nicht versuchen, Präsenzlehre lediglich in asynchrones, selbstgesteuertes Lernen umzuwandeln beziehungsweise ausgefallene Präsenzlehre mit zahlreichen langen Hausaufgaben für Studierende zu kompensieren. Lernförderlicher ist es, wenige, gezielt eingesetzte und gut vorbereitete Aufgaben für die Bearbeitung in der Selbstlernphase zu stellen sowie Rückfragen und Austausch zu ermöglichen. Die Aufgabenstellungen sollten genaue Angaben hinsichtlich der Arbeitszeit beinhalten, um Studieren- den einen Anhaltspunkt zu geben, wie detailliert sie die Aufgaben bearbeiten sollen (z. B. „Sie sollten für diese Aufgabe nicht länger als 30 Minuten aufbringen.“). Studierende können auch verschiedene Arbeitsaufträge bearbeiten, deren Ergebnisse später allen zur Verfügung gestellt werden (z. B. in Form eines Wikis).
Werden für einen Kurs verschiedene Kommunikationskanäle verwendet, hilft es, die Kommunikationsstile zu thematisieren, um einen unnötigen Mehraufwand und damit verbundenen Stress zu verringern: Zum Beispiel kann der Eintrag in einem Chat informell und kurz sein, während ein Forumseintrag oder eine E-Mail formeller zu schreiben sind. Auch die Erreichbarkeit der Lehrperson sollte klar kommuniziert werden, sodass Studierende sich so organisieren können, dass ihnen noch Zeit für potenzielle Rückfragen bleibt. Zudem können Fragen, die alle interessieren, öffentlich gestellt werden oder die Antworten auf häufig gestellte Fragen von der Lehrperson in einem Forum (FAQ) veröffentlicht werden.
Wichtig ist auch, dass Studierenden die Möglichkeit gegeben wird, während des Semesters Rückmeldung zur Arbeitslast zu geben: So kann die Lehrperson gezielte Anpassungen oder spontane Veränderungen vornehmen. Ebenso kann der bereits erwähnte Austausch mit Kolleg*innen für Lehrende hilfreich sein, um weitere Erfahrungswerte aus anderen Studierendengruppen zu sammeln.
Sollten die Studierenden gerade bei asynchronen Formaten Schwierigkeiten mit der Selbst- und Zeitorganisation haben, gibt es einige frei zugängliche Hilfsangebote. Einige Hochschulen bieten hilfreiche Selbstlernmodule zu sogenannten Study Skills (9) an, die für Studierende kostenlos und frei verfügbar sind und so das eigene Lehrangebot unterstützen können.
Eggensperger, P., Kleiber, I., Klöber, R., Lorenz, S.M. & Schindel, A. (2023) Virtuelle Hochschullehre. Ein Handbuch in 50 Fragen und Antworten, Heidelberg: heiBOOKS, S. 92-93