I. Technik, Tools und deren Rolle 3. Wie lassen sich neue digitale Tools bewerten?
Der Markt für digitale Tools, Hard- und Software für die Lehre wächst täglich und neue spannende Produkte versprechen regelmäßig, die Lehre effektiver und das Lernen einfacher und besser zu gestalten. Häufig stellt sich daher die Frage, wie neue Tools effektiv bewertet werden können.
Für eine solide Ersteinordnung empfiehlt sich, Tools unter drei Gesichtspunkten – (1) juristisch und ethisch, (2) technisch und infrastrukturell sowie (3) inhaltlich und didaktisch – zu betrachten. Juristische, aber auch technische Fragestellungen stehen dabei am Anfang, da grundsätzliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um ein Tool in der Lehre einsetzen zu können. Im Idealfall werden insbesondere diese Fragen an zentralen Serviceeinrichtungen der Hochschulen überprüft.
Der folgende Fragenkatalog dient als eine erste eigene Einschätzung und kann basierend auf eigenen Erfahrungen und dem eigenen Kontext modifiziert und ergänzt werden:
A) Juristische und ethische Aspekte
- Wer betreibt (oder vertreibt) das Tool? Warum und wie wird es finanziert?
- Handelt es sich um ein kommerzielles Angebot oder zum Beispiel um eine Open-Source-Lösung?
- Welche Daten der Nutzer*innen werden erhoben und zu welchem Zweck werden diese wo und wie lange gespeichert?
- Kann das Tool auch ohne Anmeldung und Eingabe von personenbezogenen Daten verwendet werden?
- Ist das Tool für alle Lernenden direkt nutzbar oder benachteiligt die Nutzung des Tools automatisch bestimmte Gruppen von Lernenden?
B) Technische und infrastrukturelle Aspekte
- Welche (technischen) Voraussetzungen, zum Beispiel eine schnelle Internetverbindung oder ein leistungsstarker Computer, müssen zur Nutzung gegeben sein?
- Wie gut funktioniert das Tool auf verschiedenen (mobilen) Endgeräten?
- Inwiefern spielt das Tool mit der bestehenden Infrastruktur zusammen?
- Kann ich meine Daten sinnvoll aus dem Tool exportieren oder bin ich auch in Zukunft an die Anbieter gebunden?
C) Inhaltliche und didaktische Aspekte
- Welche (didaktische) Funktion erfüllt dieses Tool auf welche Art und Weise?
- Wie unterstützt das Tool das Lernen meiner Studierenden?
- Welche zusätzlichen Möglichkeiten bietet mir dieses Tool im Vergleich zu (bestehenden) Alternativen?
- Gliedert sich das Tool sinnvoll in mein didaktisches Konzept (z. B. die Lernendenzentrierung oder das forschende Lernen) ein?
- Gibt das Tool Inhalte, Kategorien, Aktivitäten oder Sozialformen vor und wie bewerte ich diese?
- Wie einfach oder wie schwierig ist die Nutzung des Tools? Bedarf es einer Einführung oder ist das Tool intuitiv zu verstehen?
- Wie ist das Tool aus der Perspektive der Barrierefreiheit heraus zu bewerten?
Obwohl die didaktischen und inhaltlichen Fragen hier zuletzt aufgeführt sind, entscheiden sie am Ende darüber, ob ein Tool überhaupt gewinnbringend eingesetzt werden kann. Abgesehen von diesem Fragenkatalog ist das eigene Ausprobieren – und zwar sowohl aus Sicht der Lehrenden als auch aus Sicht verschiedener Lernender in ihren Kontexten – zentral für die Bewertung eines neuen Tools. Durch das Experimentieren bekommt man nicht nur ein Gefühl für mögliche Stärken und Schwächen der Tools, sondern häufig auch neue Ideen für deren didaktische Nutzung.
Eggensperger, P., Kleiber, I., Klöber, R., Lorenz, S.M. & Schindel, A. (2023) Virtuelle Hochschullehre. Ein Handbuch in 50 Fragen und Antworten, Heidelberg: heiBOOKS, S. 31-33