II. Veranstaltungsformate 17. Wie können hybride Lehrveranstaltungen gestaltet werden?

Die Diskussion um hybride Lehre ist äußerst vielfältig und zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sowohl im deutschsprachigen als auch im englisch- sprachigen Diskurs zahlreiche unterschiedliche Begriffe und Definitionen zu „Hybridität“ vorliegen (→Frage 5). Dem Vorschlag von Dorina Gumm und Steffi Hobuß folgend, sprechen wir hier von hybrider Lehre, „wenn es in unter- schiedlichen Kombinationsformen darum geht, Studierende vor Ort und online zu betreuen“ (Gumm und Hobuß 2021, 5). Weiterhin kann es hilfreich sein, zwischen „synchronem Hybrid-Lehren“ und „asynchronem Hybrid-Lehren“ zu unterscheiden (Reinmann 2021, 4). Während die Definition oben die räumliche Dimension – einige Studierende in Präsenz, andere virtuell anwesend – in den Vordergrund rückt, fokussiert sich diese Unterscheidung darauf, dass sowohl synchron als auch asynchron gelernt und gearbeitet werden kann. Dabei ist anzumerken, dass sich die aktuelle Debatte in erster Linie um die synchrone Hybrid-Lehre dreht: Es wird gleichzeitig und gemeinsam, aber an unterschiedlichen Orten, üblicherweise an der Hochschule und zu Hause, gelernt. Dies wird in den meisten Fällen über eine Art Liveschaltung, beispielsweise per Videokonferenz, realisiert. Aufgrund der weiten Verbreitung dieses Ansatzes beschränken wir uns im Folgenden auf diese Form, wohlwissend, dass es andere sinnvolle Modelle gibt (z. B. Busse et al. 2021).

Obwohl der Fokus bei hybriden Lehr-Lernsettings häufig und verständlicherweise zunächst auf den technisch-logistischen Aspekten liegt (→Frage 5), ist die lernförderliche didaktische Planung, die Interaktion und Kooperation ermöglicht, mindestens in gleichem Maße wie bei anderen Lehr-Lernsettings zu bedenken. Für die didaktische Planung ist folgende Einsicht von zentraler Bedeutung: „In hybriden Szenarien machen zwangsläufig nicht alle Lernenden die gleichen Erfahrungen – die Ergebnisse, gemessen an den Lernzielen, sollten und können aber äquivalent sein“ (Busse et al. 2021, 7).

Der zentrale Unterschied zwischen der Präsenzlehre und synchronen hybriden Formaten besteht darin, dass sich die Lernenden in unterschiedlichen Räumen, nicht nur im Sinne der Distanz, befinden. Die Erfahrung der zwei Gruppen – vor Ort und online – wird sich, auch mit der besten Medientechnik, voneinander unterscheiden. Dabei geht es aber auf gar keinen Fall darum, den einen Kontext als besser oder schlechter zu beschreiben, sondern die jeweiligen Stärken und Schwächen didaktisch auszuspielen beziehungsweise aktiv zu nutzen. Das lässt sich zum Beispiel anhand kleiner Arbeitsgruppen verdeutlichen: Während es im digitalen Raum kein Problem darstellt, unbegrenzt viele Arbeitsgruppen ungestört nebeneinander arbeiten zu lassen (z. B. durch Break- out-Räume), stößt man bei solchen Szenarien in der Präsenz schnell an Raum- grenzen. Auf der Kehrseite könnte man aber argumentieren, dass es in der Präsenz einfacher ist, als Arbeitsgruppe zusammenzukommen. Beide Formate haben also Stärken und Schwächen, die vorsichtig abgewogen werden sollten.

Diese zentralen Unterschiede sind zu beachten, wenn die Lernziele, die Lernaktivitäten und das Assessment im Sinne des Constructive Alignment aufeinander abgestimmt werden sollen. Während manche Aktivitäten, zum Beispiel das Zuhören bei einem Vortrag, bei angemessener Technik für beide Kontexte unproblematisch sind, stellen uns andere Aktivitäten, beispielsweise eine Diskussion, vor Herausforderungen. In diesen Fällen kann es hilfreich sein, die aus der Präsenzlehre bekannten Lernaktivitäten anzupassen. Beispielsweise könnte jede Gruppe eine eigene Diskussion führen, deren Ergebnis- se dann im Plenum gegenseitig vorgestellt werden. Darüber hinaus wäre es auch denkbar, dass man vollkommen unterschiedliche, vielleicht sogar komplementäre, Lernaktivitäten für die zwei Gruppen und Kontexte plant. Nur weil alle Lernenden zur selben Zeit lernen, müssen nicht alle Lernenden dasselbe tun.

Die radikalste Form dieses Gedankens ist mit Sicherheit das sogenannte „HyFlex-Modell“ (Hybrid-Flexible Course Design, nach Beatty 2019), welches vor allem im US-amerikanischen Bildungskontext eine zunehmend größere Rolle spielt. HyFlex-Kurse sind so gestaltet, dass den Lernenden maximale Flexibilität hinsichtlich der Formate gewährt wird. Lernende können jederzeit entscheiden, ob sie synchron in Präsenz, synchron über das Internet oder aber asynchron an einer Lehrveranstaltung teilnehmen. Diese Flexibilität wird erreicht, indem passende Lernaktivitäten für alle Lernziele und für alle Teilnahmemodi entwickelt werden. Das lässt sich am Beispiel einer Vorlesung mit Diskussion verdeutlichen: Die Lernenden vor Ort hören der Vorlesung zu und diskutieren im Hörsaal. Die zugeschalteten Lernenden schauen den Livestream und diskutieren beispielsweise per Chat. Die asynchron teilnehmenden Lernenden schauen die Aufnahme der Vorlesung an und diskutieren in einem asynchronen Diskussionsforum. Die geplante Lernaktivität, das heißt die Teilnahme an einer Diskussion, bleibt somit dieselbe; Studierende können jedoch zwischen den verschiedenen Diskussions-Modi auswählen (mündlich oder schriftlich, synchron oder asynchron). Eine solche Flexibilität leistet somit auch einen guten Beitrag zum Abbau von Barrieren.

Neben diesen relativ gewohnten Aktivitäten bietet die „Auflösung“ der Räumlichkeit aber auch ganz neue didaktische Möglichkeiten. Hybride Formate bieten sich beispielsweise dafür an, Gäste virtuell einzuladen oder im Sinne der virtuellen Mobilität Gruppen von Lernenden, auch über nationale Grenzen hinweg, zu verbinden. Auch wäre es denkbar, mit Lernaktivitäten zu experimentieren, die explizit damit umgehen, dass Teile der Lernenden an unter- schiedlichen Orten sind. So könnte man sich zum Beispiel eine Übung vorstellen, in welcher Lernende Daten vor Ort sammeln, die dann in der hybriden Gruppe vorgestellt und analysiert werden (→Frage 19).

Hybride Formate stellen Lehrende vor sowohl technische als auch didaktische Herausforderungen. Gleichzeitig bieten hybride Formate aber auch eine nie dagewesene Flexibilität für Lehrende und Lernende, die sich häufig auch in einer erhöhten Inklusivität und Studierbarkeit abzeichnet. Obwohl hybride Formate häufig ein gewisses Umdenken erfordern, verändern sich die grundsätzlichen didaktischen Prinzipien und Herangehensweisen nicht – der didaktische Spielraum erweitert sich allerdings. Dementsprechend können und sollten hybride Formate in erster Linie als Einladung zum Experimentieren verstanden werden.

Eggensperger, P., Kleiber, I., Klöber, R., Lorenz, S.M. & Schindel, A. (2023) Virtuelle Hochschullehre. Ein Handbuch in 50 Fragen und Antworten, Heidelberg: heiBOOKS, S. 60-62